Meister funkelnder Konturenschärfe

JAZZ-FORUM

Ahmad Jamal war einer der Helden des amerikanischen Jazz. Er stammte aus Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania und wurde am 2. Juli 1930 als Frederick Russell Jones geboren. Erst 1952 gab er sich den Namen Ahmad Jamal. Die NDR-Musikjournalistin Sarah Seidel dazu: „Die Leute aus Pittsburgh seien etwas Besonderes, sagte er stolz. Ob nun der Bassist Ray Brown, der Pianist Erroll Garner oder George Benson - sie alle wurden in Pittsburgh geboren - für Ahmad Jamal ein wahres "Pittsburgh-Phänomen".

Mit vier Jahren bekam Ahmad Klavierunterricht. Schon als Jugendlicher trat er professionell auf. Mit 18 ging er auf Tournee mit dem US-amerikanischen Trompeter George Hudson, danach mit den Four Strings um Joe Kennedy junior. Zwischen 1950 und 1955 spielte Jamal zunächst im schlagzeuglosen Trio mit Israel Crosby, Bass, und Ray Crawford, Gitarre, ab 1956 dann mit einem konventionell besetzten Trio, zunächst mit Israel Crosby und später Jamil Nasser als Bassisten und Schlagzeugern wie Vernell Fournier (teilweise ergänzt um den Gitarristen Ray Crawford).

Das Album “At the Pershing: But Not for Me” mit dem Song “Poinciana” wurde 1958 zu einem Millionenhit. „Poinciana“ ist eine Ballade von Nat Simon mit einem Text von Buddy Bernier aus dem Jahr 1936, die sich zu einem Jazzstandard entwickelte. Die Gitarre wurde manchmal zu rhythmischen Akzenten eingesetzt: Sie klang dann wie eine Conga, hatte also in der Rolle im Trio manchmal eine Verwandtschaft zum Schlagzeug.

Mehr als acht Minuten dauert die Aufnahme von Jamals Trio von 1958. Sie entwickelt sich ganz ruhig über einem fast trance-artig dahintreibenden Rhythmus von Schlagzeug und Bass. Darüber legte Jamal zunächst zarte Akkorde und dann sehr markante rhythmische Akzente - und spannte einen bezwingenden Bogen, in dem immer wieder die zarte Melodie des Originals aufleuchtete. Besonderen Reiz gewann die Aufnahme auch durch eine Passage mit feinen Motivwiederholungen im Diskant, die eine Art hypnotischen Sog entfalten.

„Hör mal zu, wie er mit Luft und Raum umgeht.“ Miles Davis über Ahmad Jamal

Miles Davis sagte einst über diesen herausragenden amerikanischen Jazzmusiker: „Ich fiebere jeder neuen Platte von ihm entgegen." Ahmad Jamal war noch bis ins hohe Alter aktiv: nicht selbstverständlich bei einem Musiker, dessen Stil stets von besonderer Brillanz und außergewöhnlich raffinierten Details geprägt war. Im Februar 2020, kurz vor Ausbruch der Corona-Krise, gastierte er noch im Kennedy-Center in Washington - das war wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag. Und dabei hatte er laut der lokalen Presse immer noch seine legendäre funkelnde musikalische Präsenz: mit zugleich viel Kraft und Delikatesse des Anschlags und schillernder Spiel-Phantasie.

2019 erschien sein Album „Ballades" erschienen - es war zugleich ein Debüt: sein erstes- Solopiano-Album. Sehr überrascht hatte er seine Anhänger auch schon im Jahr 2016 - da war er 85 - als er mit dem 1975 geborenen Rapper und Slam-Poeten Abd Al Malik zusammenarbeitete, in dem er der 2.600 Jahre alten französischen Metropole Marseille huldigte, die er offenbar besonders liebte. 2017 erhielt er einen Grammy für sein Lebenswerk.

Spiritueller Sound mit Understatement

Besonders stark war der Pianist Ahmad Jamal, wenn er Musik mit spirituellem Hintergrund machte. Auf dem späten Album "Marseille" (2016) findet sich auch ein berühmter Spiritual: „Sometimes I feel like a motherless child“, ein Lied mit Zeilen des Selbsttrostes aus Zeiten der Sklaverei durch Hinwendung zur Religion. Die existentielle Dimension solch eines Stücks ließ Ahmad Jamal in schier lakonischen Melodiekürzeln hindurchblitzen. Ein emotionales Understatement. Letzteres lässt sich über viele herausragende Aufnahmen dieses Pianisten sagen - auch über sein besonders starkes Trio-Album "The Awakening" von 1970. Wie er da im Titelstück ein luftig-leichtes Thema mit tiefengrundierten Gegenmelodien zu einem ungemein gelassenen und dabei hochkomplexen Swingen bringt, ist allerhöchste Klaviertrio-Kunst.

Am 16. April 2023 ist Jamal in seinem Zuhause in Ashley Falls, Massachusetts, an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Von nun an ist die enorm brillante und konturenscharfe Kunst des Frederick Russell Jones alias Ahmad Jamal nur noch auf Konserve zu erleben: Sie bleibt atemberaubend.

Vortrag: Peter Hellweg
Redaktion: Michael Kalthoff-Mahnke

 

Ahmal Jamal
Ein Meister seines Fachs: Ahmad Jamal. Fotos: Manfred RInderspacher

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